Gonde Dittmer

Rationales Management

Fachbuch für das Management

Inhalt

  • Vorwort
  • Einführung
  • Management und Manager
  • Systeme mit Rückkopplung
  • Management in modernen Organisationen
  • Management von Teamarbeit
  • Denkprozesse
  • Situationsanalyse
  • Nutzwertanalyse
  • Beispiele zur Nutzwertanalyse
  • Entscheidungsanalyse
  • Beispiele zur Entscheidungsanalyse
  • Problemanalyse (Abweichungsanalyse)
  • Beispiel zur Problemanalyse
  • Planabsicherung
  • Beispiel zur Planabsicherung
  • Prognosen
  • Beispiel zur Delphi-Prognose
  • Strategieentwicklung
  • Beispiel zur Strategieentwicklung

Ein guter Ingenieur, Musiker oder Schachspieler haben gemeinsam, dass sie Begabung und Intelligenz benötigen. Jedem Menschen ist aus eigenem Erleben einsichtig, dass zum Erfolg darüber hinaus sehr viel Training gehört. Das Training sorgt dafür, dass der Musiker ganze Werke auswendig spielen kann, ohne sich die Folgen von Noten bewusst ins Gedächtnis rufen zu müssen. Der Schachspieler sieht innerhalb von Minuten mehrere Züge vor seinem „inneren Auge“ voraus und ihre in der Zahl fast unbegrenzten Alternativen und Verzweigungen. Der Ingenieur erarbeitet Problemlösungen, die hinsichtlich zahlreicher Parameter (Material, Herstellbarkeit, Prozessfähigkeit, Funktion, Kundennutzen usw.) optimal sind.

Der Ingenieur, Musiker und Schachspieler haben ihr Fach in einer gründlichen Ausbildung erlernt und durch lebenslanges Üben vervollkommnet.  Dabei bedeutet Üben viel mehr als nur Berufspraxis. Übung bewirkt, dass sie sich mit ihrer fachlichen Welt nicht mehr überwiegend bewusst auseinandersetzen, sondern die Fähigkeiten des Unterbewusstseins und der Intuition nutzen, um gedanklich Dinge miteinander zu verknüpfen, die logisch und rational scheinbar nicht zusammengehören. Sie sind kreativ. Erst aus der Kombination von Begabung, Intelligenz und gründlicher Ausbildung mit ständigem Training und der daraus wachsenden Intuition entstehen besondere Leistungen.

Ein Manager braucht natürlich – genauso wie der Ingenieur, Musiker oder Schachspieler – Begabung und Intelligenz als Voraussetzung. Er benötigt gleichermaßen eine gründliche Ausbildung in Methodik und Managementtheorie und ein lebenslanges Training. Erst die hochgradige Entwicklung seines Unterbewusstseins und seiner Intuition befähigen ihn, den Anforderungen gerecht zu werden. In viel stärkerem Maße als andere Berufe muss der Manager mit einer Komplexität fertig werden, deren Beherrschung den Menschen weit schwerer fällt als z.B. die Beherrschung des Wissens auf einem bestimmten Fachgebiet. Obgleich immer mehr Informationen immer schneller verfügbar werden, muss der Manager sogar mit einem wachsenden Informationsdefizit fertig werden, da seine Fähigkeiten zur Aufnahme und Selektion mit dem wachsenden Informationsangebot nicht Schritt halten. Die Gültigkeit von Erkenntnissen, vorgefertigten Lösungen und bekannten Beziehungen im Management ist einer ständigen Veränderung unterworfen. Das Umfeld ändert sich mit großer Geschwindigkeit oder sogar sprunghaft.

Die besondere Herausforderung an den Geist des heutigen Managers auf allen Ebenen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft besteht daher darin, dass der Manager die Komplexität der Umwelt und der Beziehungen zwischen seinem Handeln und seinem Wirkungsumfeld erfasst, durchschaut und berücksichtigt, die Geschwindigkeit und Sprunghaftigkeit der Entwicklungen und Ereignisse in seinem Umfeld erkennt und in sein Handeln integriert und die Menschen, die in Beziehung zu seinem Wirkungsraum stehen, in sein Handeln einbezieht. 

Die Herausforderungen in allgemeiner Form zu beschreiben gelingt relativ einfach. Ihr gerecht zu werden scheint dagegen wesentlich schwieriger zu sein. Das wird besonders deutlich, wenn man die Nachrichten aus Politik und Wirtschaft verfolgt.

Anders als in der Ingenieurtätigkeit oder der Medizin gibt es im Management keine standardisierten und kodifizierten Lösungen. Es gibt keinen besten Weg, etwas zu erledigen – alles hängt vom Kontext ab. Es liegt nahe, die unbeherrschbare Komplexität solange zu reduzieren, bis sie für die menschlichen Fähigkeiten fassbar wird. Vor-urteile, Anweisungen, Regeln, Erlasse, Verbote, Rezepte für standardisiertes Verhalten, Managementmoden, Organisationsstrukturen, Unternehmenskultur und Vertrauen sind z.B. geeignet, Komplexität zu reduzieren. Es gibt eine Fülle von Managementliteratur, die dem Manager einfache, die Komplexität reduzierende Lösungen anbietet. Deren Nachteil ist, dass sie nur in bekannten Situationen helfen.

Eine wichtige Hilfe für den Manager ist die Beherrschung von Denkprozessen, mit deren Hilfe er die häufigsten Probleme des Managementalltags sicher und schnell bearbeiten kann. Dabei kommt es darauf an, dass die jeweils vorliegende Situation analysiert und der geeignete Denkprozess richtig ausgewählt wird, möglichst alle relevanten Informationen und Beziehungen in die Situationsbearbeitung einbezogen werden, daraus logisch richtige Schlussfolgerungen gezogen werden und so vermieden wird, dass die erarbeiten Ergebnisse und Entscheidungen die Probleme von morgen werden.

Der wesentliche Vorteil von Denkprozessen liegt darin, dass Entscheidungs- und Lösungswege transparent, nachvollziehbar und damit konsensfähig werden. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass jeder Schritt bei der Bear-beitung einer Situation kommunizierbar wird. Kommunizierbarkeit ist die wichtigste Voraussetzung für die Einbeziehung anderer in den Prozess und Gewinnung für den Konsens. Somit sind Denkprozesse sprachliche und gedankliche Kommunikationsinstrumente.

Wie auch jede Fremdsprache erfordert die effiziente Anwendung von Denkprozessen erhebliche Übung und Erfahrung im betrieblichen Alltag. Dabei steht wie bei einer Sprache die formale Anwendung von Regeln und Gesetzen nicht im Vordergrund. Diese sind vielmehr notwendig, um die volle Ausdrucksfähigkeit einer Sprache nutzen zu können. Die letztendliche Perfektion in der Beherrschung der Denkprozesse drückt sich – wie bei jeder anderen lebenden Sprache – darin aus, dass die Anwendung der formalen Regeln nicht sichtbar und spürbar wird. Diese Perfektion stellt sich jedoch erst im Lauf der Zeit mit wachsender Übung ein.

Intuitive oder irrationale Entscheidungen und solche „aus dem Bauch“ heraus lassen sich weder begründen, noch kommunizieren. Der Denkprozess der Entscheidungsanalyse fällt keine Entscheidungen, sondern bietet eine geordnete Vorgehensweise bei der Erarbeitung von Entscheidungen. Dabei geht es um die Herstellung einer begründbaren und nachvollziehbaren relativen Rangfolge einer Reihe von definierten Alternativen auf der Grundlage von geeigneten Bewertungskriterien. Erst die Anwendung der Entscheidungsanalyse ermöglicht die Einbeziehung von anderen in den Entscheidungsprozess.

Die Nutzwertanalyse ist der Entscheidungsanalyse verwandt. Sie dient jedoch zur Ermittlung des absoluten Nutzwertes einer oder mehrerer Alternativen.

Immer wenn eine Abweichung gegenüber dem Soll, Erwarteten oder Normalen vorliegt und deren Ursache unbekannt ist, kommt der Denkprozess der Problemanalyse zum Einsatz.

Soll eine Maßnahme umgesetzt werden und kann dabei etwas schiefgehen, bietet der Denkprozess der Planabsicherung eine geeignete Hilfe, um Risiken systematisch zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu deren Verhinderung oder Reduzierung zu entwickeln. Die Planabsicherung unterstützt die Identifizierung und Lösung von potentiellen zukünftigen Problemen.
Die Erarbeitung des zielgerichteten Weges von der jetzigen Position zum dauerhaften Erfolg wird durch den Denkprozess der Strategieentwicklung unterstützt.
Soll eine Aussage über die Zukunft gemacht werden, hilft die Anwendung des Denkprozesses Prognosen.